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Nachruf auf Barbara Prammer

Zum Abschied: Barbara Prammer, unsere Frauenministerin in den Jahren 1997 - 2000
Wir sind bestürzt und traurig über den Tod von Barbara Prammer. Wieder ist eine Frau, die wir bewunderten, die uns inspirierte und von der wir noch so viel erwarten durften, viel zu früh verstorben. Gerne hätten wir sie als die nächste Bundespräsidentin gesehen. In den letzten Tagen wurde viel über den politischen und persönlichen Werdegang der Nationalratspräsidentin geschrieben und wir freuen uns über diese ausführliche und überwiegend wertschätzende Berichterstattung.
Eine Ministerin zum Angreifen
Als Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen möchten wir die Reihe der Nachrufe um einen weiteren Puzzlestein ergänzen. Wir wollen uns erinnern an Barbara Prammer als Frauenministerin, als eine, die sich mit großem Engagement für Fraueneinrichtungen eingesetzt hat. Sie war eine Ministerin „zum Angreifen“ – im doppelten Sinn: weil sie uns nahestand und weil sie durchaus auch Kritik nehmen konnte, zum Beispiel an der Sparpolitik der Partei und der Regierung, der sie angehörte. Und wir möchten uns erinnern an Barbara Prammer als leidenschaftliche Kämpferin für den Erhalt ihres Ressorts, als sich in Österreich 1999 wieder einmal die Politik gewendet hat, in Richtung ‚Frauen-Zurück-an-den Herd‘.
Frauenministerinnen am Schleudersitz
Als Barbara Prammer 1997 vom damaligen Kanzler Viktor Klima als Frauenministerin in die Regierung berufen wurde, überwog in vielen Fraueneinrichtungen erst einmal der Unmut. Nicht gegen sie als Person, sondern weil mit Helga Konrad direkt zuvor schon wieder eine Frauenministerin gehen musste. Sie hatte sich vor allem mit ihrer Kampagne „Ganze Männer machen halbe-halbe“ zur gerechten Verteilung von Hausarbeit unbeliebt gemacht. Einmal mehr wurde exzellente Frauenpolitik den Zielen und Befindlichkeiten von Koalitionen oder Parteichefs untergeordnet. Genauso wie zwei Jahre zuvor, als Johanna Dohnal einer Neuauflage der großen Koalition geopfert wurde – angeblich um ‚das Team zu verjüngen‘. In frauenbewegten Kreisen gab es damals allerdings die Einschätzung, dass Johanna Dohnal wohl zu radikal für den neuen Vizekanzler Schüssel sei und deshalb zurücktreten müsse.
Spaltung? Nein danke!
Und nun also Barbara Prammer. Aus Oberösterreich. Für uns Frauenorganisationen bundesweit eher unbekannt, sollte sie wohl eine neue, gemäßigtere Ära der Frauenpolitik einläuten. Wie ihren Vorgängerinnen Dohnal und Konrad ist es jedoch auch Prammer hoch anzurechnen, wie sie mit diesen Versuchen der Spaltung in gute und böse, in brave und radikale Frauenpolitikerinnen umgegangen ist – nämlich wertschätzend, feministisch, solidarisch und im Dienst der Sache. Keiner der drei ging es um persönliche Machterhaltung, sondern immer um die Frauen, um die Verbesserung ihrer Lebenssituation, um die rechtliche und de facto Gleichstellung von Frauen und Männern.
„Gut angelegtes Geld“ - Barbara Prammer macht sich für Fraueneinrichtungen stark
Barbara Prammer erschien wenig streitbar; eher still, fast zurückhaltend, erinnern wir uns an sie in ihren ersten Auftritten. Sehr schnell war aber auch klar: Barbara Prammer ist eine Frauenministerin, die präsent ist, die den Dialog sucht, der Frauen- und Mädcheneinrichtungen zutiefst wichtig sind. Sie ist greifbar und da, wenn wir sie brauchen, eröffnet Tagungen und Jubiläumsfeiern, lädt zu sich ins Ministerium. Sie unterstützt das Frauenvolksbegehren. Und sie unterstützt und fördert das ‚Aktionsbündnis Schlaflose Nächte‘; den Widerstand von Frauen und Frauenorganisationen gegen die Sparpolitik der Regierung sieht sie als Unterstützung ihrer eigenen Arbeit. Sie besucht die Frauen, die vom 30.6. auf 1.7.1999 eine schlaflose Nacht am Ballhausplatz verbringen, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie am Rand des Leistbaren arbeiten. Im Anschluss daran finanziert sie im Oktober 1999 eine Tagung des Aktionsbündnisses. Es ist ihr ein Bedürfnis, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Frauen/einrichtungen sich organisieren und Strategien entwickeln können. Das sei, so meint sie, „allemal gut angelegtes Geld“.
Bei diesen Aktionen zeigt sich auch sehr deutlich: Barbara Prammer ist es nicht egal, wie wir ‚wurschteln‘ müssen. Sie begegnet unseren Einrichtungen mit Respekt und großer Wertschätzung und setzt sich explizit und nachdrücklich für deren finanzielle Absicherung ein. In einem Interview mit dem Standard vom 18.10.1999 sagt sie dazu: „Die Frauenorganisationen machen ihre Arbeit nicht, weil es ihnen lustig ist, sondern weil es die gesetzlich Zuständigen nicht tun.“ Für sie ist klar: Würde es unsere Einrichtungen nicht geben, müsste der Staat diese Aufgaben übernehmen. Ergo: Finanzierung tut not! Prammer setzt sich für eine rechtliche Verankerung von Beratungsstellen, Gesundheitszentren, Notrufen und anderen Frauen- und Mädcheneinrichtungen ein. Leider ist auch ihre Amtszeit zu kurz bemessen. Immerhin gelingt es der Ministerin noch, die jährlichen Subventionen ihres Ressorts für Frauenservicestellen und Frauennotrufe auf Dreijahresverträge umzustellen. Ein guter und wichtiger Schritt, wenn auch weit entfernt von der angestrebten Basisfinanzierung.
Die ‚Aktion Vanillekipferl‘ und der Backlash
Mittlerweile tickt in Österreich jedoch schon die Backlashbombe. Die Wahlen vom 3. Oktober 1999 bescheren uns im Endeffekt ‚Schwarz-Blau‘ und haben für Frauen heftige Konsequenzen. Ein Beispiel ist die Pensionsreform, in der der Durchrechnungszeitraum für die Berechnung der Pensionshöhe signifikant erhöht wird. Was das für Frauen heißt und wie das die Altersarmut von Frauen noch höher schraubt, wird sich erst in den kommenden Jahren so richtig zeigen. In der Phase der Koalitionsverhandlung, als noch ein Schimmer von Hoffnung auf eine große Koalition besteht (immerhin ist die SPÖ als stimmenstärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen), kommt es zu einem spektakulären Versuch der Rettung des bereits verbal bedrohten Frauenministeriums. In der ‚Aktion Vanillekipferl‘ besetzen elf Aktivistinnen kurz vor Weihnachten 1999 zwei Tage die Räumlichkeiten der Frauenministerin. Sie vertreten über 100 Fraueneinrichtungen in ganz Österreich. Vor den Toren harren zahlreiche UnterstützerInnen viele Stunden bei grimmigen Wintertemperaturen aus. Und wieder begegnen wir einer solidarischen Frauenministerin. Barbara Prammer verhindert nicht nur eine polizeiliche Räumung. Sie kommt uns auch nächtens, nach Ende der Koalitionsverhandlungen, besuchen und diskutiert mit uns über frauenpolitische Forderungen.
Dürre Zeiten
Der Rest ist Geschichte: Klima und Schüssel diskutierten nicht mit uns, die Weichen für Schwarz-Blau waren da wohl schon gestellt. Das Frauenministerium wurde abgeschafft. Die Agenden gerieten in die Hände der FPÖ, ein Tierarzt als Frauenminister, symptomatisch für Jahre der frauenpolitischen Dürre in Österreich.
Das Parlament in feministischer Hand
Barbara Prammer wurde Nationalratsabgeordnete und folgte 2004 Heinz Fischer als Zweite Nationalratspräsidentin. Einige Frauenorganisationen hatten im Vorfeld beherzte Briefe an die SPÖ geschrieben und für eine Nominierung Prammers plädiert. Dieser Wunsch erfüllte sich, ob mit, wegen oder trotz unserer Intervention oder unabhängig davon, sei dahin gestellt. Wichtig ist: Seit 2006, als Prammer nach dem Wahlsieg der SPÖ zur ersten Nationalratspräsidentin aufrückte, wussten wir das Parlament unter feministischer Leitung und das tat gut, gerade in Österreich, das ja in Punkto Geschlechterdemokratie nicht immer die Nase vorn hat. Ihr frauenpolitisches Engagement, ihren mutigen Einsatz für die Rechte von Frauen und gegen Gewalt hat Barbara Prammer auch nach ihrer Zeit als Frauenministerin sehr ernst genommen. Das zeigt in sehr berührender Weise ein kürzlich beim Österreichischen Frauenring eingegangenes Kondolenzschreiben der ‚African Women’s Organisation‘, in dem besonders auch ihr internationales Engagement gegen weibliche Genitalverstümmelung gewürdigt wird. Auch den Österreichischen Frauenhäusern blieb Prammer stets verbunden. So war sie von 1999 bis 2005 Vorsitzende des Linzer Frauenhauses.
Wir verneigen uns zum Abschied
Wir sprechen Barbara Prammer hier noch einmal unsere Hochachtung aus, weil sie sich immer für Menschenrechte einsetzte und eine starke Stimme gegen Sexismus, Rechtsextremismus und andere demokratiefeindlichen –ismen war. Wir erinnern uns an sie als integre Politikerin, als engagierte Kämpferin für Frauenrechte, als solidarische Mitstreiterin und als eine große Persönlichkeit. Das hat sie auch noch einmal unter Beweis gestellt, als sie im Herbst 2013 vor die Öffentlichkeit trat, um ihre Erkrankung bekannt zu geben. Sie hat damit vielen an Krebs erkrankten Menschen und ihren Angehörigen Mut gemacht und ein Zeichen gegen die Stigmatisierung gesetzt. Auch dafür danken wir ihr.
Wir trauern um Barbara Prammer. Unser tiefes Mitgefühl gilt ihrer Familie.
Team und Vorstand des Netzwerks
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